Ihr Romantiker,ihr könnt mich mal...
Ich brauche keinen Mittelfinger. Ich kann es auch mit den Augen.
Strahlend blauer Himmel, die Heuschrecken sägen um die Wette, die Sonne
trocknet die frischgewaschene Wäsche. Ich, in ein Buch vertieft, nippe an kühlem Gin. Die männliche Hälfte kocht ein wunderbares Nachtessen. Der Wein atmet. Harmonie.
Ich habe unser Mobilhaus praktisch und liebevoll eingerichtet, es ist so schön einfach frei zu sein, den Motor anzulassen und dorthin zu fahren, wo es uns gefällt. Aaaach.
Sooooo romantisch. Wie ein Traum.
Nicht mal vielleicht, nicht mal im Traum!!!
Appenzell/Flums/Bachenbüllach 28.8.-30.8.2020
The Day D naht und es ist an der Zeit neben dem Ausräumen und Packen unsere Zukunftsbleibe unter die Lupe zu nehmen.
Doch die Generalprobe und noch mehr sind ins Wasser gefallen. Sprichwörtlich.
Wir möchten es wissen und belegen den Jumper gleich mit 3 Personen. Es ist immer ein
Thema mit den Schwiegermüttern. Seine besucht meine. Mal schauen. Wir fahren los, die erste Kurve und die erste offene Schublade bewegen uns dazu eine "So nicht" Liste zu erstellen.
Ja, ich habe in meinem Führerschein einige Einträge. Auch Anhänger, Landwirtschaftmaschinen, Lieferwagen und Personen Transport etc. sind dabei.
Nein, mit dem ganzen Haushalt, ohne Schaden herumzukurven, das kenne ich noch nicht. Ich gebe zu, ich bin ein Greenhorn. Die erfahrenen Camperfahrer lachen jetzt bestimmt und greifen sich an die Stirn. Ja, ich weiss, der Mensch vergisst schnell.
Ich nehme es auf mich und prüfe die Kraft des Motors. Das Ding ist flink und bald stehe ich vor der Bahn nach Säntis. Wunderbar, das Herumkurven geht. Hoch und runter ohne Probleme. Problemlos löscht, nach paar Tropfen Kühlmittel, auch das Lämpchen aus.
Später, bei Sepp, unserem Kabier Freund angekommen, regnet es in den Strömen.
Die kulturelle und kulinarische Veranstaltung will ich schick angezogen absolvieren.
Also raus aus den Wandersachen, greife in den 20 x 40 x 70 cm grossen Kleiderschrank.
Was erwarte ich eigentlich? Heute wird nicht gebügelt, knittereffekt ist In. Geschminkt parfümiert und fertig. Fast.
Den Tisch abhängen, einhängen, Sitzpolster abnehmen, anpassen, das Fixleintuch, Decke und Kissen drauf, voilà, die Loge für Mams ist parat.
"Gute Nacht, ich gehe dann mal."
Noch die Schuhe aus dem hinteren Teil des Campers. Ja klar! Die kommen mit, zusammen mit sämtlichem Inhalt der 3 vollen Körbchen des Ikea Gestells, dem Campingstuhl und einer Rolle Sonneblache entgegen. Bravo! Alles liegt im Gras, im Handylicht sammle ich das Ganze auf und schmeisse es wieder rein.
Morgen, dachte ich, morgen räume ich auf.
Wir verabschieden uns nach einer regenvollen Nacht, nicht mal die glücklichen Schweinchen halten ihre "Steckdosennasen" raus. So ein Hundewetter!
Den Tisch wieder installieren und los, durch die schöne Appenzeller Landschaft. Gerold führt mich hoch und runter auf den schönen und schön schmalen MOTORRAD Strecken so konzentriert, dass er in einer Kurve plötzlich zwischen dem Kühlschrank und Badtüren gestreckt liegt. Motor abgestellt, den Sitz nach hinten gedreht mit B r u c h s e k u n d e g e d a n k e n: "Oh nein! Nicht jetzt! Georgien, Auswandern, Anfall! Arzt wo?" Er zittert ja," da wurde mir klar, dass es sich nicht empfehlt, unangeschnallt am Tisch zu sitzen. Samt Polster liegt und lacht ER so fest, dass die Beine und Bauch vibrieren.
Der Abend der Schwiegermüttern verlief dank Williams auf einer angenehmer Welle, die Zwei haben sich gefunden. Promile senkt jede Hemmschwelle. Sprachbarrieren adieu.
Gleich hemmungslos und dankbar nutze ich am Morgen danach die Dusche und den Tumbler. Ok, es regnet immer noch, aber bald können wir uns auf den Weg machen.
Aber zuerst noch hinten ein wenig aufräumen, habs ja vorgehabt.
Frisch und duftend, mit geföhnter Frisur, voll beladen mit Wäsche, Schminkzeug,
Badetüchern unter dem Regenschirme sehe ich machtlos zu. Der
Jumperschlüssel gleitet im SLO-MO Tempo von meinem Kleinfinger und verschwindet im Flumser Kanalisationssystem. Ups!
"Hätte ich gestern nicht so gelacht! Hätte ich nicht wegen nassen Kleidern auf dem Tisch gemotzt, hätte ich..." Ach was. Ein begossener Puddel steht in der Küche und beichtet. Nicht nur. Er hat sogar noch die Frechheit den Unschuldigen auf der Strasse liegenden zu beraten, dass der Schlüssel bestimmt einfacher mit dem Rechen als mit der Schaufel zu bergen ist.
Ich lebe noch und wir sind immer noch ein Paar. Wie habe ich es verdient? Die Aufteilung der Aufgaben scheint fair aufgeteilt zu sein:
Ich habe ausgeräumt, aufgeräumt, eingeräumt - die Räumlichkeit unserer Zukunft.
Der Jumper duftet und wartet auf weitere Einrichtung. Jetzt weiss ich wie!
Wir alle haben irgendwann, irgendwie, irgendetwas angefangen. So fange ich jetzt an, auch die Infrastruktur und Technik unseres "Haushaltes" zu studieren. Die Waschmaschine ist mir heillig. Ich hab schon eine, sie ist sehr romantisch😉.
Ps. Inzwischen hat unser mobiles Haus auch einen Namen...
